Apostolische Konstitution Missale Romanum
Einführung des gemäß Beschluß des Zweiten Vatikanischen Konzils erneuerten
Römischen Meßbuches (3. April 1969)
Paul VI.
Hinweis/Quelle: Die Feier der heiligen Messe. Meßbuch für die Bistümer des
deutschen Sprachgebietes. Authentische Ausgabe für den liturgischen
Gebrauch. Kleinausgabe. Das Meßbuch deutsch für alle Tage des Jahres,
Freiburg u.a. 1975, 19*-22*
Paulus
Bischof
Diener der Diener Gottes
zum immerwährenden Gedächtnis
Das Römische Meßbuch, auf Grund
eines Beschlusses des Konzils von Trient von Unserem Vorgänger, dem heiligen
Pius V., im Jahre 1570 herausgegeben[1],
gehört nach allgemeinem Urteil zu den vielen und segensreichen Ergebnissen,
die dieses Konzil für die gesamte Kirche Christi zeitigte. Vier Jahrhunderte
lang haben Priester des lateinischen Ritus sich seiner als Norm zur Feier
des eucharistischen Opfers bedient, und Glaubensboten haben es in fast alle
Länder gebracht. Zahllose heilige Menschen haben für ihr geistliches Leben
aus seinen Schriftlesungen und Gebeten in reichem Maß wertvolle Anregungen
geschöpft, aus jenen Texten also, deren Ordnung im wesentlichen auf Gregor
den Großen zurückgeht.
Seit geraumer Zeit hat sich nun
aber im christlichen Volk eine liturgische Erneuerung in steigendem Maße
entfaltet, die nach einem Wort Unseres Vorgängers Pius XII. als Walten der
Vorsehung Gottes gegenüber den Menschen unserer Zeit und als gnadenvolles
Wirken des Heiligen Geistes in seiner Kirche[2]
anzusehen ist. Diese Erneuerungsbewegung hat weithin deutlich werden lassen,
daß die Texte des Römischen Meßbuches einer Überarbeitung und Erweiterung
bedürfen. Einen Anfang machte Unser Vorgänger Pius XII. durch die Neuordnung
der Osternacht und der Karwoche[3],
womit er gleichsam den ersten Schritt tat, um das Römische Meßbuch dem
Empfinden unserer Zeit anzupassen.
Das Zweite Vatikanische Konzil
hat mit der Konstitution „Sacrosanctum Concilium“ die Grundlage für eine
allgemeine Erneuerung des Römischen Meßbuches gelegt. Nach seinen
Bestimmungen sollen Texte und Riten so geordnet werden, daß sie das Heilige,
dem sie als Zeichen dienen, deutlicher zum Ausdruck bringen.[4]
Der Meßordo soll so
überarbeitet werden, daß der eigentliche Sinn der einzelnen Teile und ihr
wechselseitiger Zusammenhang deutlicher hervortreten und die fromme und
tätige Teilnahme der Gläubigen erleichtert wird.[5]
Damit den Gläubigen der Tisch des Gotteswortes reicher bereitet werde, soll
die Schatzkammer der Bibel weiter aufgetan werden.[6]
Ferner beschloß das Konzil, daß ein neuer Konzelebrationsritus geschaffen
und in das Römische Pontifikale und Missale eingefügt werde.[7]
Diese Erneuerung des Römischen
Meßbuches ist jedoch nicht plötzlich und unvorbereitet gekommen. Ihr haben
die Ergebnisse der liturgiewissenschaftlichen Arbeiten während der letzten
vier Jahrhunderte den Weg bereitet. Wie aus der Apostolischen Konstitution
„Quo primum“ Unseres Vorgängers, des heiligen Pius V., hervorgeht, hatten
schon nach dem Konzil von Trient zur Revision des Römischen Meßbuches das
Studium und der Vergleich der alten Handschriften, die sich in der
Vatikanischen Bibliothek befanden oder die von überall her hinzugezogen
wurden, nicht wenig beigetragen. Inzwischen sind sowohl älteste liturgische
Quellen neu erschlossen und veröffentlicht wie auch Texte der Ostkirchen
eingehender untersucht worden. Es ergab sich bei vielen der Wunsch, die dort
vorhandenen Reichtümer des Glaubens und der Frömmigkeit nicht länger im
Dunkel der Bibliotheken verborgen zu halten, sondern ans Licht zu bringen,
um Herz und Sinn der Christen zu erleuchten und zu nähren.
Wir möchten im folgenden die
Neuordnung des Römischen Meßbuches wenigstens in den Grundzügen beschreiben.
Zunächst sei die Allgemeine Einführung erwähnt, die gleichsam die Einleitung
des Buches bildet. In ihr werden die neuen Richtlinien für die Feier des
eucharistischen Opfers dargelegt, die sich auf die Handlungen und Dienste
eines jeden Teilnehmers sowie auf alles, was zur heiligen Feier sachlich und
räumlich notwendig ist, beziehen.
Die bedeutendste Neuerung
betrifft wohl das eucharistische Hochgebet. Zwar sind im römischen Ritus für
den ersten Teil dieses Gebetes, die Präfation, im Laufe der Jahrhunderte
verschiedene Texte geschaffen worden; der zweite Teil hingegen, der Kanon
genannt wurde, erhielt in der Zeit vom 4. zum 5. Jahrhundert eine
unveränderliche Form. Im Gegensatz hierzu ließen die ostkirchlichen
Liturgien eine gewisse Abwechslung von Anaphoren zu. Gemäß Unserer Anordnung
ist nun das eucharistische Hochgebet durch eine größere Anzahl von
Präfationen bereichert worden, die teils der alten Tradition der römischen
Kirche entnommen, teils neu verfaßt sind, um so die verschiedenen Aspekte
des Heilsmysteriums deutlicher werden zu lassen und zahlreichere Motive der
Danksagung anzuführen. Außerdem haben Wir für das Hochgebet drei neue Texte
hinzufügen lassen. Aus pastoralen Gründen und zur Erleichterung der
Konzelebration haben Wir verfügt, daß die Herrenworte in allen Fassungen des
Kanons die gleichen seien. Wir bestimmen also, daß sie in jedem
eucharistischen Hochgebet folgendermaßen lauten. Über das Brot: „Nehmet und
esset alle davon, das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird.“ Über den
Kelch: „Nehmet und trinket alle daraus, das ist der Kelch des neuen und
ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur
Vergebung der Sünden. Tut dies zu meinem Gedächtnis.“ Die vom Priester
gesprochenen Worte „Geheimnis des Glaubens“ werden aus dem Kontext der
Herrenworte gelöst und als Einleitung einer Akklamation der Gläubigen
verwendet.
Was den Ordo Missae betrifft,
sind die Riten unter Wahrung ihrer Substanz einfacher geworden.[8]
Es entfiel, was im Laufe der Zeit verdoppelt oder weniger glücklich
eingefügt worden ist[9],
vor allem bei der Bereitung von Brot und Wein sowie bei der Brotbrechung und
der Kommunion.
Hingegen wurde
wiederhergestellt nach der ehrwürdigen Norm der Väter, was durch die Ungunst
der Zeiten verlorengegangen war.[10]
Hierher gehören die Homilie[11],
das „Allgemeine Gebet“ oder „Gebet der Gläubigen“[12]
und zu Beginn der Messe ein „Schuldbekenntnis“ oder „Ritus der Versöhnung
mit Gott und den Brüdern“, der die ihm zukommende Bedeutung zurückerhielt.
Das Zweite Vatikanische Konzil
hat ferner angeordnet, daß innerhalb einer bestimmten Anzahl von Jahren die
wichtigsten Teile der Heiligen Schrift dem Volke vorgetragen werden.[13]
Dementsprechend wurden die an den Sonntagen zu verlesenden Perikopen auf
eine Drei-Jahres-Ordnung verteilt. Überdies ist an allen festlichen Tagen
der Epistel- und Evangelienlesung eine weitere Lesung aus dem Alten
Testament – in der Osterzeit aus der Apostelgeschichte – vorausgestellt. Auf
diese Weise wird die Dynamik der Heilsgeschichte durch Gottes
Offenbarungswort klarer ins Licht gerückt. Diese Fülle biblischer Lesungen,
die an den Sonn- und Feiertagen den größeren Teil der Heiligen Schrift den
Gläubigen nahebringt, wird durch weitere Teile der heiligen Bücher, die an
den anderen Tagen verkündet werden, ergänzt.
Diese Neuordnungen zielen
darauf hin, bei den Gläubigen jenes Verlangen nach dem Worte Gottes[14]
zu steigern, wodurch das Volk des Neuen Bundes unter Leitung des Heiligen
Geistes zur vollkommenen Einheit der Kirche hingeführt wird. Wir hegen die
feste Zuversicht, daß Priester und Gläubige sich auf Grund dieser Erneuerung
besser für das Herrenmahl bereiten und durch größere Vertrautheit mit der
Heiligen Schrift tiefer in das Verständnis des Gotteswortes eindringen. Die
Heiligen Schriften sollen so – entsprechend den Mahnungen des Zweiten
Vatikanischen Konzils – für alle zum gleichsam nie versiegenden Quell
geistlichen Lebens, zur Grundlage der Glaubensunterweisung und zum Herzstück
aller theologischen Lehre werden.
Bei der Erneuerung des
Römischen Meßbuches sind aber nicht nur die bisher erwähnten drei Teile (das
eucharistische Hochgebet, der Ordo Missae und die Leseordnung) geändert
worden; auch die anderen sind überprüft und erheblich verändert worden: die
Eigenmessen des Herrenjahres, die Eigenmessen für die Gedenktage der
Heiligen, die Commune-Texte für die Gedenktage der Heiligen, die Messen zu
bestimmten Feiern und die Votivmessen. Dabei wurde besondere Sorgfalt auf
die Orationen verwandt; sie wurden nicht nur zahlenmäßig vermehrt, damit
neue Orationen den neuen Bedürfnissen unserer Zeit entsprechen, sondern es
wurden auch die alten Orationen an Hand der Quellen überprüft. So wurde es
auch möglich, für die Wochentage der liturgischen Hauptzeiten, der Advents-,
Weihnachts-, Fasten- und Osterzeit, jeweils eigene Orationen anzugeben.
Was schließlich die Texte des
Graduale Romanum betrifft, bleiben sie – wenigstens für den Gesangsvortrag –
unverändert. Um ein besseres Verständnis der Texte zu erreichen, wurde der
Antwortpsalm, von dem bei Augustinus und Leo dem Großen oft die Rede ist,
wieder eingeführt. Auch wurden für Meßfeiern ohne Gesang Eröffnungs- und
Kommunionverse, soweit angebracht, neu geschaffen.
Zum Abschluß möchten Wir nach
allem, was Wir bis jetzt über das neue Römische Meßbuch gesagt haben, noch
auf einen Gedanken besonders hinweisen. Als Unser Vorgänger Pius V. die
erste Ausgabe des Römischen Meßbuches veröffentlichte, bot er es dem
christlichen Volk gleichsam als Hilfe zur Einheit in der Liturgie und als
Ausdruck echten und frommen Gottesdienstes in der Kirche dar. Der Anordnung
des Zweiten Vatikanischen Konzils entsprechend, haben Wir zwar im neuen
Meßbuch berechtigter Vielfalt und Anpassung[15]
ihren Platz zuerkannt; dennoch geben auch Wir der Hoffnung Ausdruck, daß das
neue Buch von den Gläubigen als eine Hilfe zur gegenseitigen Bezeugung und
Stärkung der Einheit angenommen werde. Durch seine Verwendung soll in der
Mannigfaltigkeit vieler Sprachen aus den Herzen aller ein und dasselbe
Gebet, das Gott wohlgefälliger ist als Weihrauch, zum himmlischen Vater
durch unseren Hohenpriester Jesus Christus im Heiligen Geiste emporsteigen.
Die Bestimmungen dieser
Konstitution treten am 30. November, dem ersten Adventssonntag dieses
Jahres, in Kraft.
Unsere Anordnungen und
Vorschriften sollen jetzt und in Zukunft gültig und rechtskräftig sein,
unter Aufhebung jedweder entgegenstehender Konstitutionen und Verordnungen
Unserer Vorgänger sowie aller übrigen Anweisungen, welcher Art sie auch
seien.
Gegeben zu St. Peter in Rom, am
3. April, Gründonnerstag 1969, im sechsten Jahre Unseres Pontifikates.
PAULUS PP. VI.
[1] Apostolische Konstitution „Quo primum“ vom 14.7.1570.
[2] Vgl. Pius XII., Ansprache an die Teilnehmer des
Internationalen Pastoralliturgischen Kongresses zu Assisi am 22.9.1956: AAS
48 (1956), S.712.
[3] Vgl. Ritenkongregation, Dekret „Dominicae Resurrectionis“
vom 9.2.1951: AAS 43 (1951), S.128 ff.; Dekret „Maxima redemptionis nostrae
mysteria“ vom 16.11.1955: AAS 47 (1955), S.838 ff.
[4] II. Vatikanisches Konzil, Liturgiekonstitution Art. 21.
[5] Vgl. ebd. Art. 50.
[6] Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Liturgiekonstitution Art.
51.
[7] Vgl. ebd. Art. 57.
[8] Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Liturgiekonstitution Art.
50.
[9] Vgl. ebd. Art. 50.
[10] Vgl. ebd. Art. 50.
[11] Vgl. ebd. Art. 52.
[12] Vgl. ebd. Art. 53.
[13] Vgl. ebd. Art. 51.
[14] Vgl. Amos 8,11.
[15] Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Liturgiekonstitution Art.
38–40.
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