Beginn der
Erscheinungen - Erzengel Michael
Garabandal,
wie der Ort von den Bewohnern der dortigen Gegend kurz
genannt wird, ist ein kleines Gebirgsdorf inmitten des
Kantabrischen Gebirges am Fuße des mächtigen Pena Sagra
Massives, auf einer Höhe von ca. 600 m über dem
Meeresspiegel. Für den Besucher liegt der Ort mit etwa 60
Familien, vom Tal herauf gesehen, gut verborgen hinter einem
kleinen Bergvorsprung bei Garabandal, einer Anhöhe westlich
vom Dorf. Die einfachen aus Naturstein
erbauten Häuser schmiegen sich um die Kirche herum in
Gruppen eng aneinander und werden nur durch schmale Gäßchen
getrennt. Der heilige Sebastian ist der Patron der Kirche,
womit auch schon der Name des Ortes erklärt ist. Die
Bewohner sind einfache Leute. Den kargen Lebensunterhalt
bieten ihnen mühevoll kultivierte Bergwiesen, die Schafen
und Rindern zwischen dornigem Gestrüpp magere Weiden
bescheren. In ein paar kleinen Gärten und Feldern, um den in
einer flachen Mulde gelegenen Ort herum, werden
Gartenfrüchte, etwas Mais und Kartoffeln als
Grundnahrungsmittel angebaut. Obst ist, abgesehen von den
kleinen sauren Früchten der wenigen verkrüppelten
Obstbäumchen nahe den Häusern, etwas, das nur gelegentlich
und zu festlichen Anlässen über den etwa sieben Kilometer
langen Eselspfad zum Dorf heraufgebracht wird. Es gehört zu
den besonderen Delikatessen, die im Alltag dort nicht zu
finden sind.
Der
18. Juni 1961 war ein Sonntag. Nichts deutete darauf
hin, daß sich irgend etwas Außergewöhnliches
ereignen könnte. Friedlich lag der Ort in der
Sommersonne unter wolkenlosem Himmel da. Seine
Bewohner ruhten sich von der Arbeit der Woche aus
und man ging in den Unterhaltungen vor den Häusern
den einfachen Dingen nach, die das ungestörte
Bergbauernleben in dieser abgelegenen Gegend mit
sich bringt. Die Kinder spielten auf dem Dorfplatz
bei der Kirche und die jungen Leute tanzten zu den
Klängen einer Ziehharmonika.
Bei einer Gruppe kleiner Mädchen machte sich
Langeweile breit, und sie entfernten sich von den
anderen mit einem im geheimen ausgeheckten
kindlichen Plan. Es waren Conchita Gonzalez (12
Jahre), Jacinta Gonzalez (12), Marie-Cruz Gonzalez
(11) und Maria-Dolores Mazön, genannt Marie-Loli,
ebenfalls 12 Jahre alt. Obwohl drei von ihnen
denselben Familiennamen tragen, waren sie nicht
miteinander verwandt. Die Familien der Eltern
hielten untereinander eher Abstand und sahen nicht
gerne, daß ihre Kinder miteinander spielten. |
Der
Garten des Lehrers war das Ziel ihres Planes, in dem sich
ein Apfelbaum, mit zu dieser Zeit freilich noch völlig
unreifen Früchten befand. Diese Äpfel übten auf die Kinder
eine solche Anziehungskraft aus, daß sie heimlich davon
einige nahmen und mit dem Vergnügen eines kindlichen
Scherzes hineinbissen, um sie wegen ihres ungenießbaren
Geschmackes gleich wieder wegzuwerfen. Der Spaß des
Unternehmens schien gelungen zu sein. Doch als sie gerade in
die Äpfel hineinbissen, hörten sie bei wolkenlosem strahlend
blauen Himmel einen außerordentlichen Donnerschlag, und sie
riefen gemeinsam aus: „Was für ein Donner.“ Indem sie noch
darüber rätselten, vernahmen sie das Geräusch von nahen
Stimmen. Es ließ sie schnell über die Steinmauer auf den
Hohlweg, la calleja genannt, hüpfen und sich ein paar Meter
entfernen. Sogleich regte sich ihr Gewissen, und sie
stellten fest, daß sie einer schlechten Eingebung gefolgt
waren, die den guten Engel, den Schutzengel, sicher traurig
stimmte. Conchita, die aufgeweckteste von den Vieren schlug
vor, Steine auf die linke Seite zu werfen, dorthin, wo sie
den schlechten Engel, den Versucher, vermuteten, und sie
wollten auf diese Weise den guten Engel trösten und ihr
eigenes Gewissen beruhigen. Nachdem dadurch das ungute
Gefühl der Unrechten Tat vergangen war, wollten sie gerade
mit einem Kugelspiel beginnen.
In ihren Aufzeichnungen schreibt Conchita,
„... als ich dabei, die Augen etwas erhebend, plötzlich
jemanden von großer Schönheit vor mir sehe. Die Gestalt ist
von einem strahlenden Licht umgeben, das aber nicht
blendet.“ Wie die drei anderen sie so „außer sich“ sahen,
dachten sie schon, daß ihr wohl plötzlich nicht gut sein
könnte und fingen an zu schreien. Conchita aber wies mit
gefalteten Händen in die Richtung der Erscheinung und
stotterte: „Dort, dort!“ Marie-Loli wollte schon weglaufen,
um Hilfe zu holen, als sie und die beiden anderen auch in
die Richtung schauten, die Conchita bezeichnete. Sogleich
riefen sie zusammen aus: „Der Engel!“ Einen Augenblick
verweilten sie stumm vor Erstaunen und betrachteten
andächtig die Erscheinung. Dann verschwand die Gestalt des
Engels, ohne daß er auch nur ein Wort gesprochen hatte. Es
war 20 Uhr 30 am Abend des 18. Juni 1961.
Sehr beeindruckt von dem, was sie soeben erlebt hatten,
rannten sie ins Dorf zurück direkt auf die Kirche zu. Auf
dem Wege noch erzählten sie einem anderen Mädchen, Pili
Gonzalez, mit bestürztem Gesichtsausdruck, was sie soeben
erlebt hatten. Überrascht von dem Gehörten erzählte diese es
sofort anderen und die Nachricht verbreitete sich, wie vom
Winde getragen, im ganzen Dorf. Die vier Mädchen aber
suchten Schutz hinter der Kirche. Dort fühlten sie sich
sicher vor zudringlichen Fragen und sie weinten sich in
ihrer außerordentlichen Gemütsbewegung zuerst einmal richtig
aus.
„Was will ein Engel in Garabandal?“ fragten
die einen. Das sind doch „Mädchenträume,“ so dachten die
anderen. Und so begann für diese vier Mädchen und ihre
Eltern eine lange Reihe von Prüfungen, indem sie zum
Mittelpunkt des nicht nur wohlwollenden Gesprächsstoffes in
aller Munde wurden.
Die Lehrerin ist informiert worden und suchte
die Kleinen an ihrem Zufluchtsort auf. Nachdem sie den
verstörten Kindern entlockt hatte, was der Grund ihrer
außerordentlichen Gemütsbewegung war, beschloß sie in
freundschaftlicher Autorität: „Gehen wir zuerst einmal in
die Kirche und danken wir dem lieben Gott. “ Die Innigkeit,
mit der die Kleinen dann mit ihr, vor Rührung ständig
schluchzend, vor den Tabernakel traten und beteten,
beschäftigte die Lehrerin überaus. Ihr Eindruck war weit
davon entfernt, sich in einer normalen Begebenheit zu
verlieren. Der Herr Pfarrer Don Valentin Marichalar, der
ebenfalls informiert worden war, zeigte sich einerseits
verwundert, wollte aber doch noch mehr darüber wissen; denn
der aufgewühlte Gemütszustand seiner kleinen Schäfchen ließ
ihm keine Ruhe, und die Sache schien ihm über normale
Kindererlebnisse hinauszugehen. Er sagte ihnen: „Wenn ihr
den Engel wieder sehen solltet, so fragt ihn, was er will
und warum er kommt“.
Der Abend neigte sich und nach und nach kam
das Dorf zur Ruhe. Für die vier kleinen Mädchen war es nur,
was Essen, Trinken und Schlafengehen anbelangt, ein ganz
normaler Abend, doch nach dem Erlebnis mit dem Engel war es
für sie der Abend eines ganz außerordentlichen Tages, der
mit allem bisher Erlebten und ihren ganzen Erfahrungen nicht
zu vergleichen war. Die Sehnsucht, die schöne Gestalt des
Engels wiederzusehen, ließ sie die mehr oder weniger
strengen Vorwürfe der betroffenen Eltern leichter ertragen.
Diese Sehnsucht gewann in ihnen von Anfang an die Oberhand
gegenüber dem viel bequemeren Verhalten, sich den Argumenten
der Autoritäten zu beugen und anzupassen, indem sie um des
lieben Friedens willen das Erlebte leugnen müßten. Man ging
zu Bett und überließ die plötzlich und unerwartet
aufgetauchten Sorgen und Zweifel dem Erwachen eines neuen
Tages.
Am nächsten Tag, dem 19. Juni, gingen die
Kinder in banger Erwartung wieder zum Hohlweg (la calleja,
gesprochen: cajecha) und beteten dort den Rosenkranz. Der
Engel kam nicht. Kam er vielleicht deshalb nicht, weil
einige Buben sie aus einem Maisfeld heraus verspotteten und
mit Steinen bewarfen, oder was war sonst der Grund? Traurig
waren sie und zugleich ratlos. „Warum ist der Engel nicht
gekommen?“, fragten sie ihre Lehrerin mit kindlicher
Enttäuschung. „Zweifellos, weil es zu viele Wolken gibt,“
antwortete diese leichthin. In ihrem Inneren aber war sie
erschrocken über die außerordentliche Enttäuschung der
Kinder, die ihr zu einer Bestätigung für die Wahrheit der
Erlebnisse der Kleinen vom Vortag wurde.
Am
Abend des 20. Juni begaben sich die Mädchen wieder zu jener
Stelle im Hohlweg. Aniceta Gonzalez, eine resolute und
scharf denkende Frau, Mutter von Conchita, ließ ihre Tochter
nur ungern dorthin gehen. Sie fürchtete den Spott, der sich
in ihrer Umgebung bereits mit schadenfrohem Lachen bemerkbar
machte. Andächtig beteten die vier Kleinen den Rosenkranz,
begleitet von einem hin und her schwankenden Gefühl zwischen
der Erwartung der Erscheinung und der Enttäuschung über
deren Ausbleiben. Der Rosenkranz war zu Ende und sie
schickten sich gerade an, mit bedrückten Mienen wegzugehen;
doch „plötzlich,“ sagte Conchita „sahen wir ein strahlendes
Licht, das uns den Weg versperrte.“ Geblendet, leicht
zitternd und von Schreck erfüllt, blieben sie stehen, bis es
vor ihren Augen wieder verschwunden war.
Bis zum 21. Juni hatte sich das Vorgefallene
bereits in der ganzen Gegend herumgesprochen, und die Vier
liefen wieder in sehnsüchtiger Erwartung um dieselbe Stunde
zum Hohlweg, begleitet von einer Gruppe Neugieriger. Nach
dem andächtig gebeteten Rosenkranz wurde ihre Sehnsucht
gestillt: Wieder erschien ihnen der Engel. Die Anwesenden
bemerkten eine auffallende Veränderung ihrer Haltung. Auf
den Gesichtern der Kinder lag auf einmal ein
durchscheinender Glanz von verklärter Schönheit. Ihre Mienen
waren erfüllt von tiefem Glück. Sie schienen in diesem
Zustand völlig von ihrer Umgebung und der Außenwelt
abgeschnitten zu sein und warfen ihre Köpfe mit
Blickrichtung zum Himmel weit zurück. Eines lächelte, ein
anderes fragte den Engel, wie Pfarrer Don Valentin es ihnen
aufgetragen hatte, doch der Engel antwortete offenbar nicht,
wie aus den Reaktionen der Kinder abzuleiten war. Die
Spötteleien aber hörten bei den Anwesenden schlagartig auf,
als sie diese vier Kinder in dieser Situation sahen. Sie
fühlten sich vom außergewöhnlichen Zustand der vier Mädchen
erfaßt und bekamen Furcht vor dem, was sie als Zeugen
erlebten. Am 22., 24. und 25. wiederholte sich die
Erscheinung und der außergewöhnliche Zustand der Mädchen,
den man Ekstase nennt. Trotz all ihrem Fragen sprach der
Engel aber bis dahin noch nicht zu ihnen. Er lächelte ihnen
nur zu und zog sie durch die Außerordentlichkeit seiner
Anwesenheit mit einer beglückenden und unwiderstehlichen
Kraft in seinen Bann.
Wie
von einer unsichtbaren Kraft gezogen, die wie unabwendbar
über die menschliche Sehnsucht nach einem Erlebnis weit
hinausgeht, gingen die Kinder auch an den folgenden Tagen
zur calleja; doch die Erscheinung wiederholte sich nur am
27. und 28. Juni, dem Dienstag und dem Mittwoch.
Am Samstag, dem 1. Juli wurden die vier Mädchen bereits von
einer großen Menschenmenge zur calleja begleitet, die dort
mit ihnen den Rosenkranz in der bangen Erwartung beteten,
Zeugen eines Geschehens zu werden, das von außen kam und das
sie in keiner Weise selbst beeinflussen konnten. Als die
Erscheinung begann, sahen alle fassungslos die von einem
übernatürlichen Glanz erfüllten Gesichter und die veränderte
außerordentliche Haltung der Kinder. Zwei Stunden dauerte
diese Ekstase an. Dieses Mal sprachen die Kinder mit einer
für die Umstehenden unsichtbaren Persönlichkeit. Es war der
Engel, wie man zunächst vermutete und danach bestätigt
bekam, und er kündigte für den nächsten Tag, den Sonntag,
den 2. Juli 1961, das Kommen der Heiligen Jungfrau Maria an.
Der Engel nannte ihnen den Ort, wo sie zu ihnen kommen
werde. Er beantwortete auch die Frage nach seinem Namen und
die Frage, die im Auftrag Don Valentins von den Kindern an
ihn gestellt wurde.
Nach der Ekstase meinten die Kleinen, das Ganze habe doch
nur zwei Minuten gedauert. In ihrem Empfinden schienen sie
von Ort und Zeit vollkommen losgelöst gewesen zu sein.
Wie in Fatima hatte ein Engel die von Gott ausersehenen
Kinder seiner Wahl und Gnade auf die Erscheinung der
Heiligen Jungfrau Maria vorbereitet. Dort nannte er sich
„Engel des Friedens“, in Garabandal sagte er, daß er der
„Erzengel Sankt Michael“ sei.

Eine Gedenktafel am Hohlweg, angebracht von
Garabandal-Freunden
zur Erinnerung an die erste Erscheinung des Erzengels St.
Michael
am 18. Juni 1961, etwas oberhalb der Stätte der Erscheinung.
Davor ist der Stein aufgestellt, auf dem der Engel gestanden
hat. |