Historie Garabandal

Aus der Frühgeschichte des Bergdorfes San Sebastián de Garabandal
im Cantabrischen Gebirge, erforscht und zusammengestellt von Walter Anderl
Dem
Besucher des Bergdorfes San Sebastián de Garabandal am Fuß des Gebirgszuges Peña
Sagra zeigt sich heute ein stilles Dorf mit offenbar sehr alten Häusern. An
vielen Fassaden findet man eingemeißelte Wappen, Inschriften und Symbole. Die
meisten Wappen weisen auf eine Verbindung zum Geschlecht der "Cossio" hin. Die
Inschriften sind alle aus dem 17. und 18. Jahrhundert und bezeugen meist den Bau
neuer Häuser. Symbole kann man an vielen Gebäuden bis zum Viehstall hin finden.
Besonders schön ist das "Casa Condal" und das Pfarrhaus neben der Kirche mit
Symbolen dekoriert. Die Fundamente der Gebäude sind oft erstaunlich mächtig und
meist größer als für normale Bauernhöfe notwendig. Das alles läßt auf eine
längere Entwicklungsgeschichte schließen. So stellt sich hier die Frage: Wie
lange leben hier überhaupt schon Menschen? Durch die Funde von keltischen
Relikten hier im Orte selbst, z.B. das "Idolo de la Gandara" sowie ähnlichen
Funden in der Umgebung kann man schon von einigen tausend Jahren ausgehen. Diese
lebten aber nicht genau an dem Ort wie wir ihn heute kennen. Seit wann San
Sebastián de Garabandal selbst als christliches Dorf existiert läßt sich durch
die Erforschung der kantabrischen Geschichte schon eher eingrenzen. Rückwärts
blickend taucht San Sebastian regelmäßig (z.B. 1742) auf den Pfründekarten des
Klosters Santo Toribio de Liebana auf. Bereits im Jahre 1232 erscheint der Ort
auf einer historischen Landkarte des Klosters Santillana. Auf der gleichen Karte
wird bereits auf die Privilegien der Bewohner.
Die
erste urkundliche Nennung von San Sebastián de Garabandal ist
datiert auf das Jahre 855 anläßlich der Gründung des Klosters Santa
Maria del Yermo. Yermo liegt auf halber Strecke zwischen Torrelavega
und Los Corrales de Buelna.
Von den Stiftern des Klosters, den Bischöfen
Severinus und Ariulfus wurden als Pfründe unter anderem die
Viehweiden bei "Sejos" und "Sancto Sabastiano de Uarganda" genannt.
Über
die Zeit davor gibt uns das Buch "Obispado de Burgos y Castilla Primitiva"
interessante Details. So könnte die Gründung von San Sebastián de Garabandal als
Dorf zwischen 753 und 757 stattgefunden haben, als unter Alfonso I. el Católico,
König von Asturien eine Umsiedlung der Christen aus der Hochebene der iberischen
Halbinsel nach Asturien und Kantabrien stattfand. Zu dieser Zeit war Spanien zum
überwiegenden Teil von den Mohammedanern besetzt.
Während König Alfonso I. (739-757) zwar anfangs jegliche Feindberührung mit den
Arabern vermied, konnte er doch im Jahre 753 die Städte Astórga und León
zurückerobern. Eine ständige Besatzung gab es nämlich nur an wenigen
militärischen Stützpunkten, während das übrige Land von den Mohammedanern nur
regelmäßig zur Tributabgabe aufgesucht wurden. Als aber nach über dreißig Jahren
Beherrschung durch die Araber für die Christen in der Region um den Duero und
seinen Zuflüssen das Leben immer unerträglicher wurde flüchteten viele Richtung
Norden zu den bereits zurückeroberten Städten. Diese Städte boten allerdings zu
wenig Platz und auch kein freies Land und so wurde für die flüchtenden Christen
von König Alfons I. eine umfangreiche Umsiedlung nach Asturien und Kantabrien
organisiert, um genau zu sein nach Asturias, Promorias, Liebana, Trasmiera,
Sopuerta, Carranza y Bardulia. So wurden die Bewohner der Städte und Dörfer samt
ihren Viehherden umgesiedelt. Die Menschen kamen aus Lugo, Tuy, Oporto, Ledesma,
Salamanca, Zamora, Àvila, Astórga, León, Simancas, Saldaña, Amaya, Segovia, Osma,
Sepúlveda, Arganzas und anderen zahlreichen Orten, die Alfonso I. für kurze Zeit
eingenommen hat. Nun gab es auch in dem neuen Lebensraum kaum noch freie Flächen
in den Ebenen, so daß eher die bergigen Höhenlagen besiedelt wurden, die dann
zugleich taktische Verstärkung und Rückzugsgebiete der Reconquista wurden. Das
erklärt auch die besonderen Privilegien in diesen neuen Orten, die noch viele
Jahrhunderte galten. Selbst die Bischöfe folgten dem Migrationszug und hielten
durch ihre Besuche und Reisen Kontakt mit den Zurückgebliebenen. Die Migranten
wurden in den neuen Ländern "christiani" genannt im Gegensatz zu den "astures",
also der bereits vorhandenen Bevölkerung in Asturien und Cantabria (Asturias
Santillana). Mit dem Tode Alfonso I. im Jahre 757 endete jedoch diese Aktivität.
Unter König Fruela I. (757-768), dem Sohn von Alfonso I., wurde keine weiteren
Umsiedlungen nach Asturien und Kantabrien mehr organisiert, weil er sich laufend
muselmanischen Angriffen ausgesetzt sah, sondern der Ausbau militärischer
Stützpunkte forciert sowie auch der Bau von Kirchen und Klöstern für die neue
Bevölkerung.
In diese Zeit darf man wohl den Bau der ersten Kapelle in San Sebastián de
Garabandal legen und auch die Namensgebung des Dorfes. Der heilige Sebastián war
ein christlicher römischer Soldat der mutig für seinen Glauben starb und als
Heiliger und Patron des Ortes zugleich Vorbild und Ansporn für die Menschen
während der beginnenden Reconquista sein konnte. Der zweite Teil des Namens "Garabandal"
ist einfach zu erklären, gibt es doch nirgendwo mehr "árgoma", das ist nämlich
das Wort aus dem Garabandal abgeleitet wurde, als an den Hängen um diesen Ort.
Árgoma sind die knorrigen Wurzelreste des Stechginsters (escajos), welche die
ganzen Hügel um Garabandal überdecken sofern sie nicht kultiviert werden.
Die Namen der zugewanderten "christiani" geben auch heute noch den einen oder
anderen Hinweis auf die Herkunft der Dorfbewohner. So finden wir neben "de la
Cuenca", also der aus der Ebene und die Namen Martinez, González und Rodriguez
abgeleitet von Martin, Gundisalvo und Rodrigo und sogar Mason und Perez, also
biblische und jüdische Nachnahmen, die zwar alle erst Jahrhunderte später aus
Patronymika und Zusatzbenennungen entstanden sind, aber doch darauf hindeuten,
daß es sich hier nicht um die Nachkommen der kantabrischen Urbevölkerung
handelt.
Die Lage des Dorfes war aus wirtschaftlicher Sicht nie ein bequemer Ort und
eigentlich nur für Viehzucht geeignet. Als taktischer Stützpunkt für die
Reconquista war er jedoch ideal, bot er doch fast versteckt und schlecht
zugänglich, Bewegungsmöglichkeiten für Nachschub und Rückzug in mehrere
Richtungen.
Ganz
nah am Ort führte ein alter Weg, "el camino de Castilla" vorbei, den man vom Ort
aus unbemerkt beobachten konnte. Er ist seit 2009 wieder zu begehen und zwar vom
Dorfplatz aus und gut ausgeschildert. Etwas außerhalb des Ortes, Richtung
Westen, steht heute noch ein kleines Gebäude das sich "la fragua" nennt, also
"die Schmiede. Es ist ein Indiz mehr auf die Notwendigkeit der Unabhängigkeit
dieses Ortes wie auch die vielen verfallenen Mühlen wie sie sonst kaum in einem
Dorf anzutreffen sind.
Soweit man zurückforschen kann findet man im Ort die Hidalgie, also den niederen
Adel, der von den Privilegien des Königs aus einer Zeit weit vor Kolumbus
herrührt. An einem der vielen Wappen an den Häusern (la casa de Aurelia) wird
stolz vom Kampf gegen die Muselmanen berichtet, allerdings wohl mehr ein
Ereignis aus der Endphase der Reconquista.
So zeigt sich heute immer mehr und mehr der Ursprung und die Entwicklung von San
Sebastián de Garabandal, ein Dorf, das auf eine lange Geschichte zurückblicken
kann.
Walter Anderl
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